Problem IAP

Andeutungen über religiöse Vorstellungen der Vorzeit lassen sich auch aus bronzezeitlichen Artefakten ablesen. Bekannt sind schalenförmige Eintiefungen in Felsen, die mit Opfern in Verbindung gebracht werden. Felsritzungen lassen auf schamanistisch-magische Praktiken schließen. Ob die Mythen inhaltlich irgendetwas mit dem zu tun haben, was auf uns überkommen ist, lässt sich nicht feststellen. Das Rad mit vier Speichen als Felsritzung lässt manche auf einen Sonnenkult in der Bronzezeit schließen, für den eine mythische Grundlage aber nicht überliefert ist. Das Gleiche gilt für Miniaturäxte, die mit dem Blitz in Verbindung gebracht werden. Der Sonnenwagen von Trundholm, ein 1902 auf Sjælland in Dänemark gefundenes 57 cm langes Bronzemodell eines von Pferden gezogenen Wagens, der in die Zeit von 1500 bis 1300 v. Chr. datiert wird, belegt jedenfalls keinen Sonnenkult.

Es ist aus religionsphänomenologischer Sicht nicht völlig sicher, dass mit den steinzeitlichen Religionen bereits Götter als lebende Wesen verbunden waren. Es ist auch gut möglich, dass Naturelemente wie Blitz, Bäume, Steine, Erde und Wasser selbst als lebendig betrachtet wurden. Götter als Personen sind in der Bronzezeit durch Felszeichnungen und Bronzefiguren belegt. Nun werden in großer Zahl kleine Boote aus Gold und andere Gegenstände angetroffen, die auf Opfer schließen lassen. Opfergefäße auf Wagen deuten auf Fruchtbarkeitskulte hin, die mythologisch bereits mit der nach Tacitus pangermanischen Gottheit Nerthus in Verbindung gebracht werden.

Die Feuerbestattung, die in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. üblich wurde, wird als Mittel der Befreiung der Seele vom Körper für ein jenseitiges Leben gedeutet.

Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. finden sich Schiffsbestattungen in verschiedenen Formen. Menschen werden in voller Kleidung und mit reichen Beigaben bestattet. Man findet Münzen wohl analog zum Obolus aus der griechischen Mythologie im Mund des Toten, mit dessen Hilfe er die Überfahrt der Seele ins Totenreich bezahlen soll. Dass das gleiche sehr spezielle Motiv zu dieser Zeit unabhängig vom kontinentalen Kulturkreis entstanden sein sollte, darf als unwahrscheinlich gelten, so dass von einer Motivwanderung von Süden nach Norden ausgegangen werden kann.

Weitere Quellen sind die skandinavischen Brakteaten mit Götterdarstellungen und Runeninschriften sowie Votivgaben aller Art.

Alle diese archäologischen Zeugnisse bedürfen für ihre konkrete Deutung der Schriftquellen. Als Snorri Sturluson sein Skaldenlehrbuch um 1225 schrieb, war der geschilderte mythologische Stoff von Skandinavien bis Bayern bekannt. Er schildert zum Beispiel die Midgardschlange als ein Tier, das um alle Lande herum im Meer liegt und sich selbst in den Schwanz beißt. Dieser Text deutet die Darstellung der sich in den Schwanz beißenden ringförmigen Schlange auf dem Goldmedaillon von Lyngby aus dem 5. Jahrhundert, auf dem englischen Steinkreuzfragment von Brigham aus dem 8. Jahrhundert, auch den Ring in einem Pfeilerdienst der Neuwerkkirche in Goslar aus dem 12. Jahrhundert und auf dem spätromanischen Taufbecken von Fullösa in Schonen. Seine Überlieferung ist der wichtigste Schlüssel zur germanischen Ikonografie der Mythen. Bildliche Darstellungen, die keiner textlichen Überlieferung zugeordnet werden können, wie dies für die Felsritzungen der Bronzezeit gilt, sind über den konkreten Gegenstand der Darstellung hinaus nicht zu interpretieren.

 

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